Cheryl Shepard: Liebe ist für alle da

Schauspielerin Cheryl Shepard über ihr Engagement für mehr Offenheit in Beziehungen und die Selbstfürsorge der Frauen

Im Interview haben wir mit Schauspielerin Cheryl Shepard über ihr Engagement für mehr Offenheit in Beziehungen und die Selbstfürsorge der Frauen gesprochen.

 

Interview: Cäcilia Fischer
Foto: Dirk Brzoska

Sépareé: Sie haben sich in den Medien schon immer sehr offen und ehrlich gezeigt. Was macht es Ihnen leicht?

Cheryl Shepard: Das ist eine Intuition, die mit einem großen Selbstvertrauen gekoppelt ist, das mir wiederum meine Eltern vermittelt haben. Wir Kinder wurden oft in ihre Tischgespräche eingebunden, was natürlich toll war. Wir durften eine eigene Meinung haben und diese auch vertreten. Ich musste Offenheit also nicht lernen, sondern habe sie mit auf den Weg bekommen. Ich kann auch gar nicht anders als intuitiv und authentisch zu entscheiden. Sobald ich nicht die Wahrheit sagen kann, fühle ich mich unwohl. Meine Mutter ist mir da sehr ähnlich. Sie hat mir das Gefühl gegeben, mich so zeigen zu können, wie ich bin. Erst recht in meiner Ehe.

Sie und Ihr Mann Nikolaus stehen dazu, eine offene Ehe zu führen. Wie definieren Sie sie?

Wir leben seit 25 Jahren zusammen und haben einen gemeinsamen Alltag mit gemeinsamen Verpflichtungen wie Kinder und Haushalt. Da sind wir eine stinknormale Familie, ein Liebespaar, Eltern, Schwiegertochter und Schwiegersohn zugleich. Seelenverwandte sind wir, glaube ich, weniger. Wir reiben uns gern und verschmelzen auch nicht zu einem Wir, wie viele Paare das tun. Seelenverwandtschaften finden sich eher in engen Freundschaften. Bei uns ist dieses Konstrukt der offenen Ehe gewachsen und nicht festgezurrt. Es hat sich verändert und wird sicher auch nicht gleichbleiben, weil sich auch die Bedürfnisse ändern können. Manchmal sind wir uns selbst genug und kuscheln nur miteinander, ohne dass andere mitmischen. Dann gibt es Phasen, wo wir viel getrennt arbeiten und uns einige Freiheiten lassen.

Und wann haben Sie entschieden, eine offene Ehe zu führen?

Das hat sich entwickelt. Als Kind wusste ich noch nicht, was eine offene Beziehung bedeutet, aber als Zwillingskind musste ich früh teilen lernen. Meine Eltern haben ihre Liebe mit mir und meiner Zwillingsschwester geteilt. Genauso verhält es sich bei mir und Nikolaus. Er hat mir gleich zu Beginn unserer Beziehung nach vier, fünf Wochen ungefragt mitgeteilt, er wolle mein letzter Mann sein, aber nicht mein letzter Liebhaber. Sicher hat er die Bereitschaft von mir gespürt, dass ich das auch verkrafte. Und er wollte eben gleich Klartext. Ich fand das angenehm, weil es ehrlich war. Er war allerdings auch der Erste, der so etwas an mich herangetragen hat. Ich war damals 31 und bis dahin nicht immer treu gewesen. Ich dachte aber nie, dass ich das beichten muss. Jetzt zu wissen, dass es auch ehrlich geht, ist schön. Es geht ja darum, dass beide in der Beziehung dieselben Freiheiten haben. Ich kann mit Wahrheiten umgehen, auch mit schmerzhaften, denn aus ihnen lerne ich. Lügen sind für mich aber etwas, das ich nicht möchte. Wenn man angelogen wird, wird eine Tür geschlossen. Und nichts ist schmerzhafter, als am Leben des Anderen nicht teilhaben zu können.

Warum wird eine offene Ehe oft negativ beurteilt, was glauben Sie?

Vorab: Eine offene Beziehung ist kein Standard in unserer Gesellschaft und muss es auch nicht werden. Sie ist etwas Besonderes und auch nicht immer einfach zu leben. Jeder muss für sich entscheiden, was er möchte und auch kann. Viele Menschen haben wohl Angst davor, es mit einer offenen Beziehung zu versuchen, oder sind anders erzogen als ich. Angst hat unterschiedliche Gesichter. Es können Verlustängste sein, zum Beispiel, dass der andere geht, wenn ich ihm sexuell nicht treu bin. Oder dass mein Partner andere mehr liebt als mich. Aber Liebe ist vielfältig, Liebe ist für alle da! Ich habe fünf Kinder, nicht alle sind leiblich. Ich liebe sie, ich liebe meine Familie, meine Geschwister, meine Freunde. Klar, an einer Liebe muss man arbeiten, und man muss jemanden auch trotz Liebe gehen lassen können. Sie muss zudem nicht zwingend sexuell sein, auch freundschaftliche Liebe ist großartig. Und wenn man geschätzt wird, so wie man ist, ist es einfacher, angstlos zu sein.

Was meinen Sie konkret damit?

Wenn eine Frau denkt, sie müsse ihre Orangenhaut loswerden, damit ihr Mann sie weiter liebt, dann läuft doch etwas falsch. Heute leben wir mit so vielen Eindrücken, da wird verglichen und bewertet. Allein das Internet verführt dazu. Die Gesellschaft wird sich aber nicht im Positiven verändern, wenn keiner zu sich und seinen vermeintlichen Makeln steht. Offenheit im kleinen Kreis muss auch bedeuten, offen nach außen bleiben zu können. Deshalb gehe ich so direkt mit dem Thema offene Ehe um – damit es andere ermutigt, ebenfalls zu dem zu stehen, was sie denken und lieben.

Dennoch gibt es viele unglückliche Menschen, die nicht aus ihrer Haut können.

Leider! Manche Person regt sich vielleicht über mich auf, weil sie selbst gern offener wäre, es sich aber nicht traut. Ich traue mich auch nicht alles und bin auch nicht immer komplett angstlos, aber es befreit mich jedes Mal, wenn ich Erfolge habe. Es zu probieren, gehört dazu, denn nur so erfährt man, was einem gefällt. Beim Essen probiert man doch auch aus. Wenn sich zwei Gleichgesinnte treffen und niemandem Schmerz zugefügt wird, kann es nicht falsch sein, eine offene Beziehung zu führen. Im Gegenteil: Wenn man den Anderen liebt, macht es Spaß, ihn beim Wohlfühlen zu unterstützen und ihn glücklich zu erleben.

Es birgt aber auch Risiken. Der andere kann sich neu verlieben oder mehr Zeit für andere haben wollen. Hatten Sie da nie Bedenken?

Das ganze Leben ist ein Risiko! Eine monogame Beziehung schützt nicht davor, sich fremd zu verlieben oder keine Konflikte als Paar zu haben, das sieht man an den hohen Scheidungsraten. Man sollte ein bisschen Freude am Risiko entwickeln, glaube ich. Ich bin damit gewachsen, aber ich bin auch kein Sicherheitstyp, der alles bis ins Detail vorher wissen muss. Das Wort „einfach“ kommt bei mir selten vor, die Wörter „spannend“, „abwechslungsreich“ und „ehrlich“ dagegen schon. Liebe und Vertrauen sollten die Basis einer Beziehung sein, dafür ist die offene Ehe doch ein Paradebeispiel, denn genau hier ist beides Pflicht, damit es funktioniert! Manche Männer sind da vielleicht noch etwas skeptischer als Frauen, denke ich. Sie wollen Freiheiten, aber nicht immer gleichberechtigt und fair

 
 

Wie das Konzept der offenen Ehe in 25 Jahren schwankte, wie es um Eifersucht steht und wie Beziehungen in den Medien dargestellt werden lesen Sie in Séparée No.30.

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